Klare Kante
gegenSexualisierte
Belästigung
Mitarbeitendenbefragung zu sexualisierter Belästigung
Im Jahr 2022 wurden an den vier Universitätsklinika in Baden-Württemberg Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm Mitarbeitendenbefragungen zu sexualisierter Belästigung am Arbeitsplatz durchgeführt. Es wurden Daten von insgesamt 9905 Beschäftigten der vier Universitätskliniken ausgewertet. Dies entspricht 21% der Beschäftigten. Die Ergebnisse sind nun ausgewertet und weil sie sehr eindrücklich sind, haben sich die Vorstände und Gleichstellungsbeauftragten der vier Häuser entschieden, eine aufmerksamkeitsstarke Kampagne mit dem Titel „Klare Kante gegen sexualisierte Belästigung“ zu starten. Bitte informieren Sie sich und zeigen Sie gemeinsam klare Kante bei diesem Thema.
Weitere Informationen zum Thema Sexualisierte Belästigung im Gesundheitswesen im Artikel aus „das Krankenhaus“, Ausgabe 10/2024, von Vera Clemens, Andrea Kliemann, Anna Eberhardt, Ulrike Hoffmann und Jörg M. Fegert.
Video
Gemeinsames Statement der Vorstandsmitglieder der vier Universitätsklinika in Baden-Württemberg. Diese zeigen „Klare Kante gegen sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz“:
UMFRAGE
Die Umfrage wurde an allen vier Universitätsklinika separat von den anderen Häusern durchgeführt. Dennoch sieht man sehr einheitliche Ergebnisse:
Ergebnis 1
Insgesamt berichteten 71% der Teilnehmenden, jemals in ihrem Leben sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz erlebt zu haben, mehr als ein Drittel (37% der Befragten) berichtete von dem Erleben sexualisierter Belästigung innerhalb des letzten Jahres.
Ergebnis 2
Über ein Drittel aller Teilnehmenden berichtet, eine körperliche Form der sexualisierten Belästigung erlebt zu haben. Von den Teilnehmenden, die jemals sexualisierte Belästigung im Rahmen der Berufstätigkeit erlebt haben, berichteten 78% sich von dem Erlebten belästigt gefühlt zu haben, und 33% sich davon bedroht gefühlt zu haben.
Ergebnis 3
Als Konsequenzen benannten u.a. 58% der Teilnehmenden Verstörung und Irritation, 38% Ekel; 35% Ärger über sich selbst, die Situation nicht klarer abgewehrt zu haben und 4% Schwierigkeiten bei Arbeit.
Ergebnis 4
Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden gab an, schon einmal sexualisierte Belästigung gegenüber Patient*innen durch Kolleg*innen miterlebt zu haben.
NULL TOLERANZ BEI SEXUALISIERTER BELÄSTIGUNG
UNSERE VERHALTENSGRUNDSÄTZE:
- Ich behandle alle Menschen an meinem Arbeitsplatz mit Respekt und Würde.
- Ich respektiere persönliche Grenzen.
- Ich schaue nicht weg. Ich handle.
RECHTLICHE GRUNDLAGEN
Grundgesetz
Art 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten
als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
AGG allgemein
Das AGG (auch „Antidiskriminierungsgesetz“ genannt) trat 2006 in Kraft und regelt den Schutz vor
Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.
„Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft,
des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen
Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ (§1 AGG).
Sexuelle Belästigung im AGG
Gemäß § 3 Abs. 4 AGG ist sexuelle Belästigung als Benachteiligung definiert als „ein unerwünschtes,
sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu
diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie
unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören […]“
und dadurch „die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere, wenn ein von
Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen
gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“.
Sexuelle Belästigung ist, wie alle im AGG genannten Benachteiligungen, im gesamten
Arbeitsverhältnis unzulässig und damit zu unterlassen. Sexuelle Belästigung ist damit eine Verletzung
arbeitsvertraglicher Pflichten (§ 7 Abs. 3 AGG).
Pflicht der Arbeitgeber*innen
Arbeitgeber*innen haben die Pflicht, den Schutz vor Benachteiligung von Beschäftigten proaktiv und
vorbeugend sicherzustellen und geeignete Maßnahmen dafür zu ergreifen. Diese Pflicht gilt auch,
wenn Benachteiligungen der Beschäftigten von Dritten ausgehen –beispielsweise sexuelle Belästigung
von Mitarbeitenden durch Patient*innen.
Rechte von Betroffenen
Kommt der*die Arbeitgeber*in dieser Pflicht nicht nach und besteht eine sexualisierte Belästigung
fort, haben die Betroffenen das Recht, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen,
soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist (§ 14 AGG). Zudem kann eine Schadensersatzpflicht auf
den*die Arbeitgeber*in zukommen (§ 15 AGG).
Weiterführende Informationen
Weitere Informationen zum AGG finden Sie hier: Antidiskriminierungsstelle – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Strafrecht
§ 184i Sexuelle Belästigung
(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen
Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.
§ 185 Beleidigung
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die
Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder
mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft.
Verbale oder „tätliche“ (z.B. durch Gesten) sexualbezogene Annäherungen erfüllen den Tatbestand
der Beleidigung nur dann, wenn daraus konkret auch eine zusätzlich herabsetzende Bewertung des
Opfers zu sehen ist (BGH, NStZ-RR 12, 206).
§ 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person
vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller
Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu
fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr
vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von
einem Dritten bestimmt, wenn
1. der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden
oder zu äußern,
2. der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der
Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der
Zustimmung dieser Person versichert,
3. der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4. der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5. der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem
empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
§ 240 Nötigung
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel
zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
mit Geldstrafe bestraft.